Die Aufstellung eines städtischen Haushalts ist auch ohne Corona für viele Bürgermeister und Kämmerer häufig wenig erfreulich in Zeiten angespannter kommunaler Finanzen. Die Folgen der Pandemie machen den Haushalts-Entwurf für das Jahr 2021 allerdings zu einer Aufgabe, die absolut nicht mehr vergnügungssteuerpflichtig ist. Was also tun? Den Kopf in den Sand stecken? Über Haushaltslöcher klagen? Oder die Herausforderung anpacken und mutig in die Zukunft investieren? Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann hat sich für die letzte Variante entschieden und einen Haushalts-Entwurf jüngst im Stadtrat vorgestellt, der eher einem innovativen Zukunfts-Programm gleicht. Bildung, medizinische Versorgung, Dorfentwicklung, Bauen und Wohnen, Wirtschaftsförderung, Klimaschutz, Digitalisierung, Ehrenamt und vieles mehr stehen nicht nur auf der Agenda, sie sind auch hinterlegt mit konkreten Projekten für 2021.
Neben den Investitionen in ein lebens- und liebenswertes Winterberg mit seinen Ortschaften beinhaltet ein Haushalts-Entwurf stets auch ein paar eher nüchterne Fakten und Ergebnisse: In Winterberg ist der Haushalt strukturell auch 2021 ausgeglichen. Heißt, das finanzielle Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben wird auf dem Papier u.a. über den Griff in die so genannte Ausgleichs-Rücklage sowie einem buchhalterischen Kunstgriff, den das Land aufgrund der Corona-Situation ermöglicht hat. „Die Pandemie hat viele Bremsspuren in den öffentlichen Kassen hinterlassen. Wir schaffen es aber, die so wichtigen kommunalen GestaltungsSpielräume in den eigenen Händen zu behalten“, betont Bürgermeister Michael Beckmann. Ein Grund dafür ist die gute konjunkturelle Lage in Winterberg vor der Pandemie mit entsprechenden Steuereinnahmen, aber auch die Aufnahme neuer Kredite. „Nicht erforderlich sind Steuererhöhungen. Wir wollen bewusst anders an die Situation herangehen, kreativer und ohne Mehrbelastungen für die Betriebe und die Bürgerinnen und Bürger. Schließlich hat die Verwaltung in den vergangenen Jahren finanziell von den erfolgreichen Unternehmen mitsamt deren Belegschaften profitiert. Nun gilt es, mit innovativen Konzepten zurückzuzahlen.“ In diesem Zusammenhang dankte Michael Beckmann allen Unternehmer*innen sowie den Bürgerinnen und Bürgern für den Zusammenhalt und die Solidarität in den schweren Corona-Zeiten. Solch eine Unterstützung untereinander sei keine Selbstverständlichkeit und sie zeichne Winterberg mit seinen Dörfern aus. „Gemeinsam kommen wir stark aus der Krise“, so Beckmann.
Ziel sei es, im Jahr 2024 die Einnahmen und Ausgaben der Stadt Winterberg wieder ohne Griff in die Rücklagen ausgeglichen zu gestalten. Dafür braucht es das ehrgeizige Investitions-Programm. Und genau so liest sich Michael Beckmanns erster Haushalts-Entwurf mit folgenden, konkreten Zukunfts-Projekten:
Investitionen in die vorhandene Infrastruktur: Rund 8 Millionen Euro fließen 2021 nicht nur in die Digitalisierung der Schulen. Eine Million Euro werden unter anderem in das Feuerwehrhaus Niedersfeld investiert, 360.000 Euro in das Haus des Gastes Altastenberg inklusive Co-Schooling-Space für Schülerinnen und Schüler sowie knapp eine Million Euro in die Breitband-Anbindung der Gewerbegebiete. Um möglichst viele Fördergelder für solche und andere Projekte zu akquirieren, richtet die Stadt Winterberg die Stabsstelle Fördermittelakquise ein, um die zur Verfügung stehenden Fördertöpfe bei Bund, Land oder auf der EU-Ebene in Zukunft noch besser auszunutzen. Geplant ist zudem die Gründung eines Expertenrates „Zukunft.Breitband.Winterberg“, um schnell gute Lösungen für Winterberg zu finden und, wenn machbar, umzusetzen.
Bürgerdialog, Jugend und Senioren: Weniger Gelder, dafür aber umso mehr die wichtigen Anliegen und Anregungen der Bürgerinnen und Bürger hat sich die Verwaltung um Michael Beckmann 2021 auf die Fahne geschrieben. Dazu zählen u.a. Ratssitzungen in den Ortsteilen sowie Bürgerdialoge zu den Themen Finanzen, Mobilität und Energie. Hinzu kommen Investitionen in das Zukunftsforum Jugend, die Jugendkunstgalerie, die Schulhoffestivals oder das Social Network Training an den heimischen Schulen. Die Impulsveranstaltung für die Gründung des Seniorenbeirates wird pandemiebedingt erst am 23. Juni 2021 stattfinden. Auch werden erstmals „Dialoge vor Ort“ mit „Geh-Sprächen“ mit Bürgermeister Beckmann in den Ortsteilen stattfinden.
Wirtschaftsförderung: Stadt und Wirtschaftsförderung setzen auf eine langfristige Strategie für die gewerbliche Wirtschaft. Intensiv wird bereits für das produzierende Gewerbe und die Digital-Branche neben der Förderung des Wirtschaftsfaktors Tourismus an Leitplanken mit einem klaren Kompass sowie an einem starken Fundament für die Entwicklung und Schaffung zukunftsorientierter Arbeitsplätze gearbeitet. Darüber hinaus arbeitet die Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH gemeinsam mit dem Fachbereich Bauen und Stadtentwicklung an einer Bedarfsanalyse für Gewerbeflächen im Stadtgebiet. Dazu wird es erstmals in diesem Jahr Quartalsgespräche zwischen Stadt, Wirtschaftsförderung, Tourismusförderung und dem Stadtmarketingverein Winterberg mit seinen Dörfern geben. Im Bereich Tourismus wird das Tourismuskonzept 2020+ gerade auf seine Wirkung geprüft und fortgeschrieben. Dies alles zusammen mit dem Unternehmerbeirat der WTW mit Nico Brinkmann an der Spitze sowie mit einer breiten Bürgerbeteiligung.
Stadt- und Dorfentwicklungskonzept: Ganz oben auf der Agenda steht die weitere Umsetzung des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes. Beispiele für Maßnahmen sind das Zukunftszentrum Siedlinghausen, die konzeptionelle Ausgestaltung der Neuen Mitte Niedersfeld oder die Planungen für die Bullenwiese in Züschen. Darüber hinaus werden auch neue Akzente unter anderem in Mollseifen und Altenfeld konsequent gesetzt.
Handlungskonzept Wohnen: Ziel dieses Handlungskonzeptes wird sein, die qualitativen und quantitativen Anforderungen an den Wohnraum in Winterberg zu ermitteln. Es wird als Basis dienen, um nachhaltig bezahlbaren Wohnraum zu entwickeln. Darüber hinaus wird dieses Konzept bereits in diesem Jahr beginnend unter anderem mit folgenden Maßnahmen flankiert: Prüfung der Gründung einer Wohnungsbaugenossenschaft bzw. einer engen Kooperation mit der bestehenden Wohnungsbaugenossenschaft Hochsauerland eG, eine bedarfsorientierte sowie planungsrechtlich Aktivierung von Bauland, wo möglich und sinnvoll, aktivieren, Optimierung der Fortführung des Programms „Frischer Wind in alten Häusern“, Ausübung des Vorkaufsrechts der Stadt bei Objekten, wo es rechtlich möglich ist, Einbindung caritativer Einrichtungen und Akquise staatlicher Fördermittel, um generationengerechten Wohnraum zu schaffen, mittelfristig die Umsetzung unseres Masterplans zur Attraktivierung der Innenstadt sowie die Steuerung des Zuwachses an Ferienwohnungen.
Gesundheit und Sicherheit: Die qualitativ hochwertige medizinische Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger ist ein wichtiger Eckpfeiler im Zukunfts-Programm. Die Gründung des Krankenhaus-Fördervereins vor wenigen Wochen war dafür ein Meilenstein. Finanzielle Mittel stehen zudem für das Projekt „Zukunft.Pflege“ zur Verfügung mit dem Ziel Pflegekräften für die Pflegedienste, die stationären Pflegeeinrichtungen oder das Krankenhaus zu gewinnen. Auch die Werbung um Nachwuchskräfte für die niedergelassenen Ärzte steht auf der Agenda im Rahmen des Leader-Projektes „Komm aufs Land.Arzt“. Die Gründung des Netzwerks „Gesundes Winterberg“ für die medizinischen Leistungsträger ist für das 2. Halbjahr 2021 vorgesehen. Die angekündigte personelle Verstärkung des Ordnungsamtes wurde bereits Ende 2020 erfolgreich umgesetzt.
Bildungsstandort Winterberg: Grundsätzlich ist die Bildungs-Landschaft im Stadtgebiet Winterberg gut aufgestellt. Zukünftige Bedarfe z. B. an das Schulbauprogramm werden auf Basis der Schulentwicklungsplanung und in enger Abstimmung mit den Schulleitungen ermittelt. Entscheidende Bedeutung hat nicht erst seit Corona die digitale Weiterentwicklung der Schulen. Die vom Bund und Land dafür bereitgestellten Mittel werden komplett abgerufen. Auch für die Idee „Jedem Kind ein Tablet – kein Kind darf zurückgelassen werden“ gibt es einen mit den Schulleitungen abgestimmten Weg, um den Eltern einen finanziell machbaren Zugang zu
Endgeräten zu öffnen. Ein gutes Beispiel für die Entwicklung der generationenübergreifenden Bildungslandschaft ist auch das Projekt „Jung lehrt Alt“ der Sozialraumkoordinatorin Cansu Müjde-Algin.
Radverkehr und Mobilität: Die Bitte um Prüfung der Machbarkeit einer Bürgerbuslinie von Altenfeld nach Siedlinghausen ist an den Bürgerbusverbund Hellweg Sauerland gestellt. Zudem wird noch im 1. Halbjahr der Abschluss einer Planungsvereinbarung mit dem Landesbetrieb Straßenbau angestrebt, um die Planung des Radweges von Niedersfeld nach Winterberg anzugehen. Weitere Radwegeprojekte, z. B. im Negertal oder im Hilletal, werden gerade geprüft. Um dem zunehmenden Radverkehr im Stadtgebiet gerecht zu werden, stehen im Haushalt erstmals finanzielle Mittel für die Errichtung von Radabstellstationen und eine verbesserte Beschilderung der Rad- und Fußgängerwege. Auch der Bürgerdialog Mobilität wird sich mit einem Konzept für den Radverkehr in Winterberg beschäftigen.
Startschuss für kommunale Nachhaltigkeitsstrategie: Klimawandel ist und bleibt ein entscheidendes Thema auch für die Stadt Winterberg. Dafür wurde im Haushaltsplan eigens die Stelle eines geförderten Klimaschutzund Mobilitätsmanagers eingearbeitet. Der so genannte „Green Deal“ für Winterberg sieht zudem eine mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelte kommunale Nachhaltigkeitsstrategie im Sinne einer klimagerechten Stadtentwicklung vor, bei der auch Aspekte der Nachhaltigkeitsbildung nicht fehlen sollten. Flankiert wird die Einstellung in diesem Jahr mit der Umrüstung eines Teils der Straßenbeleuchtung auf LED-Leuchten, die durch die Westenergie AG gefördert wird und in Zukunft zu Einsparungen im Ergebnishaushalt führen wird. Ein städtischer Eigenanteil wird dem Klimaschutz- und Mobilitätsmanager zudem dabei helfen, erste Maßnahmen wie z. B. die Installation von weiteren Ladesäulen umzusetzen.
Ehrenamt weiter stärken: Klar ist, die finanzielle Unterstützung der Vereine bleibt stabil auf dem Niveau von 2020. Zudem wird in 2021 die Ehrenamtskarte NRW in Winterberg eingeführt, um das großartige ehrenamtliche Engagement weiter zu unterstützen. Um den Einwohnerverlust in Winterberg zu stoppen, steht der Aufbau einer neuen Willkommenskultur auf der Agenda. Neben dem Willkommenspaket für Neubürger geht es dann auch darum, neue Bürgerinnen und Bürger mit Paten an die Hand zu nehmen. Geplant ist eine Willkommenskultur auf Basis eines Maßnahmenpaketes, das die Regionalagentur Südwestfalen entwickelt hat und welches mit weiteren Maßnahmen unterfüttert wird, die in einer kleinen Arbeitsgruppe zwischen Stadt und Stadtmarketingverein entwickelt werden. Zudem wird die Stelle der Schulsozialarbeiterin der Sekundarschule von 80 auf 100 Prozent anheben, um Jugendliche aktiv präventiv und niedrigschwellig zu begleiten und ihnen auch neben der Schule Unterstützung und Hilfe zukommen zu lassen.
„Dieser Haushalt ist ein Haushalt der Zuversicht, nicht der Hoffnung! Dies ist wichtig, um unsere Heimat weiter in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Davon bin ich überzeugt“, so Michael Beckmann abschließend.