Er hieß „Corona-Krisentalk“ und dieser Titel hatte durchaus seine Berechtigung. Vertreter fast aller Wirtschaftsbranchen, des St. Franziskus-Hospitals sowie der Fraktionen im Winterberger Stadtrat waren der Einladung von Bürgermeister Michael Beckmann, dem Geschäftsführer der Winterberg Touristik und Wirtschaft, Winfried Borgmann, sowie von Stadtmarketing-Projektmanagerin Julia Aschenbrenner gefolgt, am Freitagabend an diesem virtuellen Videotreffen teilzunehmen. Ziel war es, auf die Sorgen und Nöte der Betriebe, ihrer Belegschaften und auf deren Forderungen nach Öffnungs-Perspektiven sowie unbürokratischen Finanzhilfen, die schnell fließen müssten, aufmerksam zu machen, um miteinander zu diskutieren, die Maßnahmen in der Vergangenheit zu beleuchten sowie einen Blick in die Zukunft zu werfen. Fazit: Die Winterberger Wirtschaftswelt ist stark von der Pandemie und ihren Folgen betroffen, Existenzen stehen auf dem Spiel, ein „Kopf in den Sand stecken“ wird es aber nicht geben. Vielmehr wird – neben den intensiven Bemühungen um schnelle Finanzhilfen - gemeinsam an einem erfolgreichen Restart gearbeitet.
Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann machte es mehr als deutlich am Freitagabend in der Videoschalte: „Wäre ich nicht so ein Optimist, hätte ich angesichts der Situation schon längst den Kopf in den Sand gesteckt.“ Beckmann verwies in seinen Eingangsworten auf viele Gespräche und Schreiben in Richtung Bundes- und Landesregierung, in denen es darum ging, massiv finanzielle Unterstützung für die arg von der Gesundheitskrise gebeutelten Branchen in Winterberg vor allem im touristischen Bereich einzufordern. Insbesondere Betriebe im Nebenerwerb, die Kulturschaffenden, die vielen Solo-Selbstständigen und die Wintersport-Branche werden alleine gelassen bei den Soforthilfen und Überbrückungsgeldern. „Die Antworten und Reaktionen sind sehr ernüchternd und stets gleich. Dennoch werden wir nicht lockerlassen und weiter um Unterstützung kämpfen.“ Winterberg sei der einzige Wintersportort in NRW mit großer Strahlkraft für das ganze Land. Hier gelte es, schnell zu helfen. Eine komplett ausfallende Wintersport-Saison könne auch kein guter Sommer gänzlich kompensieren, so Beckmann.
Skilift-Branche entsetzt und enttäuscht / Friseursalons kämpfen ums Überleben
Auch Skiliftbetreiber Christoph Klante kritisierte die mangelnde Bereitschaft der maßgebenden Politik, der Wintersport-Branche zu helfen in dieser Ausnahmesituation. „Die Stimmung bei uns und den Kollegen schwankt zwischen Enttäuschung ob der Tatsache, dass so wenig auf unsere Konzepte eingegangen wird, und Entsetzen, wenn man die vollmundigen Ankündigungen der Bundespolitik zum Thema großzügige Entschädigungen hört, es am Ende aber ganz viele bürokratische Hürden gibt und letztlich für Branchen und Betriebe relativ wenig dabei herauskommt.“
Die Gefahr, dass sich in Winterberg die für Einheimische und Gäste gleichermaßen attraktive und vielfältige Infrastruktur mit den Pandemie-Folgen massiv ändere, betonte auch Unternehmer Heijo Krevet, GeWi-Aktivist
der ersten Stunde. Winterberg sei nicht austauschbar oder vergleichbar mit Städten im Ruhrgebiet zum Beispiel. „Wenn es so weiter geht mit den ausbleibenden Entschädigungen für Freizeit, Tourismus, Handel und Gastronomie, dann wird es auch in Winterberg Leerstände geben. Deshalb brauchen wir dringend Hilfen und Öffnungs-Perspektiven.“
Dies unterstrich auch Friseurmeister und Innungs-Vorsitzender Ulrich Brieden: „Die Salons kämpfen um die blanke Existenz, die Nerven liegen blank. Die Überbrückungshilfe mit der Konzentration auf die Fixkosten ist für uns Friseure nicht geeignet. Es gab bereits viele Aktionen und es wird weitere geben, um auf unsere Situation aufmerksam zu machen. Ich hoffe auf die Unterstützung seitens der Politik.“
Kampagnen sollen Mut machen und Umsätze bringen
Steuerberater Marcel Kruse riet den Verantwortlichen in der Verwaltung sowie bei der WTW und den Politikern, das Thema Finanzhilfen weiter zu thematisieren in Richtung Bund und Land, da es gerade bei der Überbrückungshilfe noch Nachbesserungsbedarf gäbe. „Die Betriebe der Wintersport-Branche sollten zudem auf jeden Fall Anträge auf Finanzhilfen stellen“, so Kruse.
„Kopf hoch“, „Winterberg fürs Wohnzimmer“, Repostings von Online-Angeboten heimischer Betriebe – diese und andere Kampagnen laufen aktuell erfolgreich unter Federführung von WTW und Stadtmarketingverein. Dies sagte Stadtmarketing-Projektmanagerin Julia Aschenbrenner. Hinzu komme eine intensive Kommunikations-Strategie über Newsletter, Webseite etc. im Rahmen des „Winterberger Weges“ sowie die geplante Vermarktung von Übernachtungs-Gutscheinen und des bewährten Winterberg-Gutschein, um schon jetzt Umsätze und Geldfluss zu generieren. „Wir wollen damit auch Mut machen sowie die Unterstützung der heimischen Betriebe und ihrer Online-Angebote fördern.“ Im Namen von Einzelhandels-Sprecher Marcel Pauli betonte sie, dass der reine Fixkosten-Zuschuss für den Einzelhandel nicht reiche und ein Restart im Einzelhandel in Winterberg nur gemeinsam mit der Gastronomie Sinn ergebe. Hinter den Kulissen wird bei der WTW und beim Stadtmarketingverein bereits intensiv an Restart-Kampagnen sowohl im Binnen- als auch im Außenmarketing für den Einzelhandel, die Gastronomie und Freizeitbetriebe sowie an Konzepten für Kleinkultur-Events gearbeitet, um bei möglichen Lockerungen schnell und effizient durchstarten zu können. „Wir planen zudem eine noch intensivere Netzwerk-Arbeit jeweils in den Bereichen Freizeit und Gastronomie, werden die Stadt- und Dorfentwicklung sowie das Quartiersmanagement mit Volldampf forcieren“, betonte Julia Aschenbrenner.
Winfried Borgmann: „Von ungebrochener Reiselust wird Winterberg profitieren!“
Existenzgefährdend ist der Lockdown auch für Vereine. Dies machte Vera Altenbeck, Vorsitzende des Verkehrsvereins Niedersfeld, deutlich. Es gebe zwar eine Mindestzusage der Stadt und der WTW für laufende Kosten, die Haupteinnahmequelle aus der Kurtaxe falle aber weg. „Hinzu kommt, dass viele NebenerwerbsBetriebe, ohne die ein erfolgreicher Tourismus nicht möglich ist, keine Ansprüche auf Finanzhilfen haben. Ich sehe da derzeit kein Licht am Ende des Tunnels“, so Vera Altenbeck.
„Wir werden den Winterberger Weg weiter konsequent gehen, arbeiten intensiv an der Restart-Kampagne, werden die Betriebe weiterhin mit Informationen versorgen und hören auf allen Kanälen aufmerksam zu“,
fasste WTW-Geschäftsführer Winfried Borgmann die Strategie der nächsten Wochen trotz Kurzarbeit auch in der WTW, die den Alltag natürlich erschwerten, zusammen. „Wir sind uns zusammen mit dem SauerlandTourismus aber einig, dass die Reiselust ungebrochen ist und auch wir davon profitieren werden.“ Bei dem zu erwartenden großen Gästeaufkommen im kommenden Sommer werde die Besucher-Lenkung ein großes Thema, das von WTW, Stadtmarketing und Ordnungsamt gemeinsam zu bearbeiten sei. Es gelte, im Sommer wieder gut aufgestellt zu sein insgesamt. Daran arbeiten wir gemeinsam mit den Betrieben intensiv.“
Beckmann kündigt „Licht Aus“-Aktion für ganz Winterberg an
Zum Abschluss der gut 90-minütigen Videoschalte kündigte Bürgermeister Michael Beckmann an, sich weiter intensiv um alle Schicksale und Existenzen, die mit viel Engagement aufgebaut wurden, zu kümmern. „Dabei geht es auch um soziale Unwuchten, bei denen wir schauen müssen, wie wir helfen können.“ Die Problematik der Überbrückungshilfen werde nochmals sachlich aufbereitet, um im Zusammenspiel mit den regionalen Bundes- und Landespolitikern noch Einfluss für die heimische Wirtschaft nehmen zu können. „Wir reden zudem mit anderen Tourismusorten in Deutschland, die ähnlich wie Winterberg aufgestellt sind, um herauszufiltern, wo die Knackpunkte liegen und wie wir gemeinsam beim Bund aufschlagen können.“
Beckmann kündigte zudem eine „Licht Aus“-Aktion für Winterberg an, sollte es ab dem 14. Februar weiterhin keine Perspektive für Lockerungen und Öffnungen geben. „Dann machen wir symbolisch und öffentlichkeitswirksam in Winterberg das Licht aus.“ Nun gelte es aber, optimistisch und gut vorbereitet in das Frühjahr und den Sommer zu gehen in der Hoffnung, „dass wir dann wieder anfahren können“. Dieser Krisentalk solle auch ein Aufbruch-Signal setzen und das Gemeinschaftsgefühl stärken.